Dienstag, 3. Februar 2015

Bienvenue à L'Arche!

Seit nun mehr anderthalb Wochen befinde ich mich im Örtchen Cuise-la-Motte, das in der Picardie, einer Region nordöstlich von Paris, liegt. Hier lebe ich in der Arche, einer Einrichtung für Menschen mit geistiger und teilweise auch körperlicher Behinderung. Die Arche hier wird in Foyers und Ateliers eingeteilt, worunter man die Wohn- und Arbeitsstätten versteht.

Mein Foyer trägt den Namen „La Colombe" und wir leben hier mit sieben Bewohnern und sechs Assistenten zusammen. Das Leben kann man meistens als gemächlich und entspannt bezeichnen, da sich die Bewohner durch eine hohe Selbstständigkeit auszeichnen, was bei vielen Anderen nicht der Fall ist.
So komme ich auch gleich zu meiner Arbeitsstätte, der „La Passerelle". Hier kommen tagein, tagaus Bewohner mit einer Schwerbehinerung zur sogenannten Arbeit, was eigentlich nur bedeutet, dass sich Angestellte und Assistenten wie ich vormittags und nachmittags mit ihnen beschäftigen. Jeden Tag gibt es verschiedene Aktivitäten wie Massagen, Entspannung, Backen, Spaziergänge, Spiele, Musik oder auch Schwimmen und Reittherapie. Im Grunde genommen handelt es sich um Zeit, die man mit den Personen verbringt und in der man ihnen individuell Aufmerksamkeit schenkt. Ein Großteil der miteinander verbrachten Stunden wird allerdings für den in Frankreich üblichen „goûter", einer Mahlzeit für Zwischendurch, und die Toilette benötigt.

Für mich ist der Dienst als Freiwillige in der Arche eine Hundertachtziggradwende verglichen zum Centre in Niederbronn, da sich wirklich alles von der Wohnsituation über den Aufgabenbereich bis hin zum Alltag komplett unterscheidet. Wenn ich eine erste Bilanz ziehen müsste, würde ich sagen, dass ich sehr froh bin, die Möglichkeit zu haben, Einblick in ein sozial ausgerichtetes Projekt wie die Arche zu gelangen. Gleichzeitig merke ich, wie froh ich bin, nur einen Monat in Cuise-la-Motte zu verbringen, da ich teilweise doch große Hemmschwellen in der Arbeit und im Körperkontakt mit den körperlich Behinderten habe. Jeder Arche-Freiwillige erhält meinen vollsten Respekt!

Doch schon nach der ersten Woche habe ich Fortschritte meiner Einstellung und meines Handelns bemerkt und bin jedes Mal zufrieden, wenn ich mich zu etwas überwinde, dass ich vorher als undenkbar eingestuft hätte. Bis es soweit kommt, brauche ich aber immer erstmal meine Zeit. Ich denke, das ist vollkommen in Ordnung und kann nur an das altbekannte Learning by Doing appellieren!

Was mir auch geholfen hat, die erste Woche in La Passerelle zu verdauen, da mir die Arbeit dort schwerer fällt als in La Colombe, war das Wochenende, was der Erholung gedient hat.

Den Samstag, meinen ehrwürdigen, einzigen freien Tag in der Woche, habe ich mit Theresa in Amiens verbracht, der Hauptstadt der Picardie. Neben dem Rumschlendern durch ein schönes kleines Viertel mit vielen Kanälen und der Besichtigung der gotischen Kathedrale, die mir aus dem Kunstunterricht wohl bekannt war, haben wir die Zeit zur Reflektion benutzt, was ich sehr schön fand. Ein anderer Blickwinkel, eine andere Umgebung und viel Spaß können tatsächlich Wunder bewirken :)

Ein letzter Punkt, den ich gerne anschneiden würde ist die Religiösität der Arche. Innerhalb von sieben Tagen war ich sage und schreibe dreimal im Gottesdienst, war während vier Abendgebeten innerhalb des Foyers anwesend und lausche viermal täglich den die Mahlzeiten begleitenden Gesängen. Alle, die mich kennen, wissen, dass ich nicht viel mit Glauben am Hut habe und es war am Anfang sehr befremdlich für mich, mit so viel Spiritualität konfrontiert zu werden. Mittlerweile betrachte ich die Religion als eine Materie für sich und stelle mir sehr oft die Frage, wie etwas so Abstraktes solch einen überzeugten Anhang und Zustimmung gewinnen kann. Bis jetzt habe ich noch keine befriedigende Antwort gefunden, sollte dies aber der Fall sein, melde ich mich bei Euch – zu allererst bei Dir Filiz, du bist also schon vorgewarnt!

Vorab habe ich alles erzählt, was mir auf dem Herzen lag und hoffe, dass ihr Euch ein wenig vorstellen könnt, wie mein Leben dieser Zeiten abläuft. Müdigkeit spielt darin momentan auch eine nicht zu verachtende Rolle und so wünsche ich Euch eine gute Nacht. À la prochaine!

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