Montag, 1. Dezember 2014

La Bretagne

Kuckuck meine lieben Leser, hier bin ich wieder und möchte Euch gerne von meiner wunderbaren Zeit in der noch viel wunderbareren Bretagne berichten!
Am Samstag, dem 22. November fing die lange Reise in die über 1000 Kilometer weit entfernte Region im Nordwesten Frankreichs an. Dafür haben sich einige Freiwillige aus dem umliegenden Elsass und die Niederbronner um 3 Uhr morgens vor dem ICE Büro getroffen, um die Fahrt mit dem Bus gemeinsam anzutreten. Ehrlich gesagt hatte ich auf die nicht enden wollende Zeit im Bus gar keine Lust, doch die Müdigkeit und die Dunkelheit haben mich dann doch einschlafen lassen und die zwölf Stunden gingen schneller als gedacht um. Da im zentralisierten Frankreich so gut wie jede Autobahn über Paris führt, sind wir bei einem orangeroten Sonnenaufgang durch die Hauptstadt gefahren, was eine perfekte Einstimmung auf das schöne Seminar war.

Bis zum Zeitpunkt, als wir wiklich am Ort des Seminares ankamen, waren wir ahnungslos, wo in die Bretagne es uns hinführen würde. Gegen Nachmittag hat uns das kleine Dorf Saint-Pol-de-Léon im Département Finistère willkommen geheißen. Dort haben wir fünf Tage in einem alten Schloss gelebt, das nun als Herberge mit dem einladenden Namen "Rêves de Mer" genutzt wird. Der Name ist absolut berechtigt, da man zu Fuß in weniger als zehn Minuten am Plage de Kersaliou war. Ob es sich beim dortigen Meer um den Ärmelkanal oder den Atlantischen Ozean handelt, habe ich leider noch nicht herausgefunden, denn bei Saint-Pol-de-Léon verwischen die Grenzen der beiden Gewässer.
Der Samstag hat zum größten Teil aus der Wiedersehensfreude aller Freiwilligen bestanden, da sich die Meisten seit August nicht mehr wiedergesehen haben. Die Gespräche haben sich an diesem ersten Abend auch hauptsächlich um die Projekte, den Ort, die Region und die anderen Volontäre gekreist, so haben wir uns gegenseitig auf den Stand der Dinge gebracht. Die leuchtenden Augen des ein oder anderen, der seine Situation geschildert hat, war wirklich herzerwärmend :)



  


 Die Seminartage waren von morgens bis abends gefüllt und das Programm hat uns in alle möglichen Ecken der Bretagne geführt - und das im geographischen und kulturellen Sinne. Am Sonntag standen drei Ziele auf unserem Plan: am Vormittag sind wir zur deutschen Kriegsgräberstätte in Ploudaniel-Lesneven gefahren, wo ich meine Führung gehalten habe. Es hat mir Spaß gemacht, diese Arbeit endlich einmal auf Französisch erledigen zu dürfen, da ich das in meinem Projekt schon sehr vermisse. Während der Vorstellung auf dem Friedhof hat es schon sehr stark genieselt (Paula und Vanessa - danke für das Regenschirm halten) und als wir am "Fôret Huelgoat", den legendenreichen Wäldern der Bretagne, ankamen, hat es nur noch aus Eimern geschüttet. Dementsprechend habe ich von den uns erzählten Legenden, ein Kulturerbe der Kelten, nicht all zu viel mitbekommen, dafür aber umso mehr vom beeindruckenden Naturspektakel, was uns geboten wurde.
Durchnässt und zitternd hat sich unsere hart gesottene Gruppe wieder in den Bus begeben und auf den Weg zur nächsten Station des Tages gemacht - das Fischerdörfchen Le Conquet. Eine komplette Kehrtwende des Wetters hat dazu geführt, dass die malerischen Häuschen und Gassen sowie der Meerblick von der Sonne bestrahlt wurden. Unsere Organisation hat uns hier zu einem kleinen Happen bretonischer Kultur eingeladen und so haben wir uns mit einem Crêpe mit Salzbutter und Zucker gestärkt - merci bien! Unser letzter Anlaufpunkt war danach St. Mathieu, der westlichste Punkt Frankreichs, auch Bout du Monde genannt, eine wunderschöne Klippen- und Felsenlandschaft, an der sich die Wellen gebrochen haben. Gekrönt wurde dieses Ende der Welt von dem alten Kloster und dem Leuchtturm, die im Sonnenuntergang eine zauberhafte Atmosphäre geschaffen haben.


 
 











Der nächste Tag diente zu Beginn der Zwischenreflektion seines bisherigen Freiwilligendienstes, wobei jedem die Möglichkeit eines Interviews geboten wurde. Dabei habe ich den unzureichenden Französischunterricht als mein Hauptproblem deklariert, da ich das Gefühl habe, mich keinswegs in meiner Sprachfertigkeit weiterzuentwickeln. Hoffentlich wird sich daran etwas ändern, on va voir.
Danach haben wir Zeit in Roscoff, der nächst größeren Küstenstadt, verbracht. Diese ging allerdings mehr als schnell vorbei, da wir am Nachmittag die bretonische Firma Algoplus besucht haben, die sich durch die Verarbeitung von Algen zu Nahrungsmitteln und Kosmetikprodukten einen Ruf gemacht hat. Der Geschmack von Algengrissinis mit Jakobsmuschel und getrockneten Algen ist tatsächlich wunderbar, wer hätte das gedacht!
Den Abend in Saint-Pol-de-Léon haben wir mit einem Herzstück der bretonischen Kultur verbracht, den Volkstänzen. Eine Gruppe motivierter Rentner hat uns die Basistänze beigebracht, die von Flöte und Dudelsack begleitet wurden. Generell haben mich Tanz und Musik sehr an Schottland erinnert, der keltische Einfluss ist im ansonsten romanischen Frankreich also bewahrt worden. 




Der letzte volle Seminartag war ein einziges Fest, da wir den halben Tag auf der Île de Batz verbracht haben, die laut meinem Reiseführer ein "wandelnder Gemüsegarten" ist. Das kann ich nur bestätigen, denn gefühlt die Hälfte der Insel ist mit Kohl- und Rübenfeldern, sämtlichen Stauden und anderen Anbauflächen bedeckt. Dazwischen befinden sich kleine Dörfer, alte Kirchen, Strände, Muscheln und natürlich Meer soweit das Auge reicht!
Den Nachmittag haben wir in unserem Schloss verbracht, wo wir in Kleingruppen verschiedene Arbeiten erledigt haben, die wir am Abend während der Abschlusszeremonie vorgestellt haben. Während ich mich mit Collage befasst habe, gab es andere Gruppen, die sich mit Musik, bretonischem Tanz oder Aquarellmalen auseinandergesetzt haben. Alle Vorstellungen waren schön und hatten irgendwie einen melancholischen Beigeschmack, da wir uns alle bewusst waren, dass es der letzte gemeinsame Abend der gesamten Gruppe für immer sein würde. Dass uns ein Video der Vorbereitungszeit im Sommer gezeigt wurde, hat die Melancholie nur noch mehr unterstützt!









All zu viel Zeit für Traurigkeit blieb mir allerdings nicht, obwohl sich am Mittwoch das Seminar auflöste, für Janine, Marie, Paula und mich aber nun das Reisen quer durch die Bretagne anfing. Mit einem kleinen Zwischenstop in Morlaix, wo das berühmte Viadukt steht, peilten wir mit Brest unser erstes Ziel an. Im Vorfeld unseres Urlaubs haben die meisten Menschen nur den Kopf geschüttelt, als wir von Brest sprachen, da es angeblich eine hässliche und uninteressante Stadt ist, die in der Nachkriegszeit ohne großen Sinn für Ästhetik wiederaufgebaut wurde. Dem kann ich nicht zustimmen. Natürlich gibt es malerischere Städte, aber das Zusammenspiel von Küste, Botanischem Garten, Industrie und Stadtleben hat definitiv seinen Reiz! Der Anblick des Hafens mit all seinen Lichtern beim Sonnenuntergang war wunderschön.
Daneben kann ich nur jedem empfehlen, einmal Moules Frites essen zu gehen, das ist ein Muss!



 


Am nächsten Morgen haben wir uns schon wieder vom urbanen Leben in Brest verabschiedet und sind nach Perros-Guirec an die Côte de Granit Rose gereist, einem Küstenort mit schönem Strand, der für seine rosafarbene Felsküste berühmt ist. Auf dem ehemaligen Zöllnerweg "sentier des douaniers" konnte man die beeindruckenden Felsformationen in all ihrer Schönheit bewundern. So wirklich rosa sind die Steine zwar nicht, aber der farbliche Kontrast zum blauen Meer ist ziemlich besonders. Jeder von uns hat die erholende Zeit in Perros-Guirec genossen und die Erinnerung an das Naturschauspiel lässt unser aller Herz höher schlagen.












Der Freitag schien anfangs einer der anstrengendsten Tage unserer Reise zu werden, da wir von Perros-Guirec aus über Rennes nach Saint-Malo fuhren, von wo aus wir nach knapp bemessener Zeit wieder nach Rennes zurückkehrten. Da wir ziemlich ratlos waren, was wir mit unseren drei Trekkingrucksäcken und einem vollgepackten Koffer machen sollten, weil wir Saint-Malo nicht wie vier Packesel anschauen wollten, haben wir während unserer Umsteigezeit in Rennes vergeblich nach Abstellmöglichkeiten gesucht. Schließfächer sind in Frankreich anscheinend nicht Gang und Gebe, nur in Paris, wie uns verraten wurde. Bei der dritten Adresse, nämlich im SNCF Reisezentrum, haben wir wohl einen so bemitleidenswerten Anblick geboten, dass sich der dortige Mitarbeiter ein Herz gefasst, sich gegen die offiziellen Richtlinien gestellt und unser Gepäck bis zum Abend aufgenommen hat. So viel Glück muss man erstmal haben!
Den historischen Kern von Saint-Malo, der auf einer Halbinsel liegt und Intramuros heißt, haben wir unbeschwert - im wahrsten Sinne des Wortes - kennen und lieben gelernt. Der Name rührt übrigens von der Bauweise der Altstadt her, die von Festungsmauern umgeben ist. Im Allgemeinen zeichnet sich die Stadt aus engen Gassen, alter Architektur und der Mole aus, die ins Meer verläuft. Im Reiseführer steht nicht umsonst, dass dieser Fleck der Bretagne oftmals als romantische Filmkulisse gedient hat.







Mit unserem Hab und Gut im Gepäck haben wir uns abends auf den Weg zu unserem Zimmer in der bretonischen Hauptstadt gemacht. Diesen supergünstigen Schlafplatz als Zimmer zu bezeichnen ist schlichtweg untertrieben, denn als wir die Türe unseres Domizils geöffnet haben, standen wir einem Apartment mit zwei Etagen, Küche, Bad und Balkon gegenüber. Auch wenn wir uns nicht im schönsten Viertel befunden haben, hat die Unterkunft dies auf jeden Fall wett gemacht.
Da Rennes als pulsierende Studentenstadt bekannt ist, haben wir uns entschlossen, den Freitagabend im Zentrum des Studentenlebens zu verbringen. Die Rue St. Michel heißt im Volksmund Rue de la Soif und macht diesem Spitznamen alle Ehre. Einen witzigen Abend haben wir Freiwllige mit einer Hand voll sympathischer französischer Studenten allemal verbracht.
Am nächsten Morgen haben wir uns wieder in Richtung Centre Ville gemacht, das sich entlang des Parlement de Bretagne, der Cathédrale St. Pierre, dem Place de la Mairie und dem Place de la République erstreckt. Für mich waren die Bauwerke typisch französisch und gerade dadurch ein einziger Augenschmaus. Den letzten Tag haben wir neben dem Genießen der Stadt mit einer ausgiebigen Einkaufstour und einem Crêpe zelebriert. Ich habe mich für die salzige Variante mit Buchweizenmehl und Käse, Schinken, Pilzen und Ei entschieden - bei dieser Kombination durfte ich auch mal inkonsequente Vegetarierin sein :)





Gestern Abend haben Janine, Marie, Paula und ich den Tag nur in der Metro, TGVs, Zügen und Bussen verbracht, bis wir abends wieder im Elsass eingetroffen sind. Eine wirklich sehr sehr schöne Reise, die leider viel zu schnell vorbeiging! Ich freue mich schon auf unsere nächste Tour, wo auch immer sie uns hinführen mag.
Ohne all zu viel Bedauern konnte ich heute trotzdem in die neue Woche starten, da ich das erste Türchen meines aus Trier importierten Adventskalenders öffnen durfte - tausend Dank Bettina, ich habe mich wie ein Kind gefreut! À propos Weihnachten, ich werde mich demnächst auf die Spuren der elsässischen Weihnachtsmärkte begeben und hoffentlich ein paar schöne Stunden dort verbringen, da bin ich aber guter Dinge.
In der Hoffnung, dass Ihr alle einen geruhsamen ersten Advent verbracht habt und ausgeglichen in die Adventszeit gestartet seid.
Gruß und Kuss aus Frankreich!

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